Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte

von T. J. Klune

Linus Baker ist ein vorbildlicher Beamter. Seit Jahrzehnten arbeitet er in der Sonderabteilung des Jugendamtes, die für das Wohlergehen magisch begabter Kinder und Jugendlicher zuständig ist. Nie war er auch nur einen Tag krank, und das Regelwerk der Behörde ist seine Gute-Nacht-Lektüre. Linus‘ eintöniges Dasein ändert sich schlagartig, als er auf eine geheime Mission geschickt wird. Er soll das Waisenhaus eines gewissen Mr. Parnassus‘, das sich auf einer abgelegenen Insel befindet, genauer unter die Lupe nehmen. Kaum dort angekommen, stellt Linus fest, dass Mr. Parnassus‘ Schützlinge eher etwas speziell sind – einer von ihnen ist möglicherweise sogar der Sohn des Teufels! In diesem Heim kommt Linus mit seinem Regelwerk und seiner Vorliebe für Vorschriften nicht weit, das merkt er schnell. Eher widerwillig lässt er sich auf dieses magische Abenteuer ein, das ihn auf der Insel erwartet, und erfährt dabei die größte Überraschung seines Lebens …

Mal eine für mich ganz andere Geschichte, auf die ich ohne meine Lesegruppe wahrscheinlich gar nicht aufmerksam geworden wäre. Schrecklich, was ich da verpasst hätte!

Die Geschichte um Linus entwickelt sich sehr langsam, beinahe gemütlich. Der Fokus liegt eindeutig auf den Charakteren und deren Entwicklung, sowie der Botschaft, die das Buch übermitteln will. Bis zur letzten Seite ist sie herrlich unaufgeregt und doch habe ich weder Spannung noch Action vermisst.

Da Linus die Hauptperson dieser Geschichte ist, war seine Charakterentwicklung sehr deutlich zu sehen und mit jeder neuen Facette ging mir das Herz ein wenig mehr auf. Er, der anfangs besessen von seinen Regeln ist, sich starr an das hält, was man von ihm erwartet, schüttelt diese mit jeden neuen Kapitel etwas weiter ab. Wie einsam er anfangs ist, ohne es wirklich zu realisieren, und wie sich das mit der Zeit ändert, seinen wahren Charakter zum Vorschein bringt.

Über die Kinder und Mr. Parnassus selbst, möchte ich hier nichts schreiben, das müsst ihr schon selbst herausfinden. Nur so viel sei gesagt: Ich liebe sie abgöttisch. Und vor allem in der Interaktion mit Linus gab so viel zu Lachen, dass ich teilweise über Seiten nicht mehr aus dem Grinsen herausgekommen bin.

Was mich erst verwundert hat, wirkte dann doch zunehmend stimmig: Es gibt nämlich keinen richtigen Antagonisten. Widrigkeiten, Anfeindungen, die Tücken der Gesellschaft selbst, doch niemanden, den ich hier als Antagonisten beschreiben würde. Zu erst habe ich tatsächlich noch darauf gelauert, dass sich von irgendeiner Seite jemand erhebt, der diesen Posten für sich in Anspruch nimmt, doch das legte sich schnell, als mir klar wurde, dass das nicht das Ziel dieser Geschichte war. Ganz und gar nicht. Und so, wie sie ist, braucht sie das auch nicht.

Wer also von liebevollen Charakteren und deren Entwicklung lesen möchte, eine Geschichte, welche die Gesellschaft spiegelt und das Herz berührt, die sich langsam entwickelt und wundervoll unaufgeregt ist – der ist bei diesem Buch goldrichtig!

Eine ruhige Geschichte voller unglaublich starker und liebevoller Charaktere. 5 ⭐️